Marianne Schöberle

19. Dezember 2005
SPD

Marianne Schöberle: Austritt aus der SPD / SPD-Ratsfraktion / SPD-Regionsfraktion

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    SPD
Artikel: Marianne Schöberle

Liebe Wettbergerinnen und Wettberger,

Anfang Dezember bin ich aus inhaltlichen Gründen aus der SPD und der SPD-Rats- und Regionsfraktion ausgetreten.

Ausschlaggebend für meine Entscheidung sind vorrangig die unterschiedlichen Auffassungen zwischen der hannoverschen SPD und mir zur Förderung von Kindern, Jugendlichen und Familien auf der kommunalen Ebene.

Ich habe die sehr tiefe Überzeugung, dass insbesondere in diesen Zeiten schwerer Rezession Kürzungen in der offenen Kinder- und Jugendarbeit und die Einführung eines Essengeldes für Eltern mit kleinen Kindern mehr als kontraproduktiv sind. Hierfür habe ich trotz intensiver Diskussionen keine Mehrheiten und kaum Unterstützung in der Ratsfraktion und auch in der Partei finden können.

Die Kürzungen bei der offenen Kinder - und Jugendarbeit bedeuten z.B. beim Jugendzentrum Wettbergen den Wegfall einer halben Stelle, was ich angesichts der guten Arbeit die dort geleistet wird, in keiner Weise akzeptieren kann.

Die Bereitstellung von 500.000,-- Euro zur Abmilderung der Einführung des Essengeldes auf Druck des Koalitionspartners halte ich für keinen Kompromiss, sondern für absolut falsch. Hierdurch werden Ungerechtigkeiten eher verstärkt als abgemildert und Nichtanmeldungen bzw. Abmeldungen höchstens punktuell verhindert. Außerdem wird ein noch größerer Verwaltungsaufwand produziert. Eltern werden, wenn sie nicht zahlen können, zu Bittstellern gegenüber Trägern und Verwaltung gemacht.

Ich habe aus diesen Gründen bei den Haushaltsplanberatungen den Anträgen, das Essengeld zu streichen und den Ansatz für offene Kinder- und Jugendarbeit zu erhöhen, zugestimmt und mich bei der Gesamtabstimmung des Haushaltes 2006 enthalten, weil ich sonst indirekt den Streichungen im Kinder- und Jugendbereich und der Einführung des Essengeldes nachträglich zugestimmt hätte.

Argumentationen, dass bei Verzicht auf diese Maßnahmen (mit einer Gesamtsumme von rund 5,5 Millionen) die Sanierung des Haushalts nachhaltig in Gefahr geriete, halte ich im Übrigen als langjähriges Mitglied des Finanzausschusses und der entsprechenden Finanz-Arbeitsgruppe in der Ratsfraktion in keiner Weise für überzeugend. Ich halte die finanzielle Not vieler Familien in dieser Stadt für wesentlich größer ist als die finanzielle Not der Stadt Hannover.

Für mich ist und bleibt die Frage des Essengeldes und der damit ausgesprochenen Mehrbelastung junger Familien, eine Frage der Sichtweise "Wie viel Förderung eine Gesellschaft Kindern und Familien geben muss, um ein hohes Maß an Chancengleichheit herzustellen" und damit eine Frage der Prioritätensetzungen.

Ich fühle mich dem Versprechen der SPD im Kommunal-Wahlprogramm 2001 - 2006 "Wir können die Elternbeiträge leider nicht senken, wir werden sie aber auch nicht erhöhen" verpflichtet und kann nicht akzeptieren, dass hiervon abgewichen wird.

Die Entscheidungslage in Hannover ist allerdings nicht der alleinige Grund für meine Entscheidung zum Austritt. Mitentscheidend ist in hohem Maße auch die Bundespolitik der SPD in den vergangenen zwei Jahren und auch die für die Zukunft im Rahmen der großen Koalition. Diese steht nach meiner Auffassung den sozialdemokratischen Zielen "soziale Gerechtigkeit" und "Chancengleichheit" stark entgegen. Stichworte hierfür sind "Ausprägungen von Hartz IV" (z.B. Übergangszeiten für ältere Arbeitnehmer), Gesundheitsreform (hohe Belastungen ohne Beitragssenkungen), Mehrwertsteuererhöhung und Einfrieren bzw. sogar indirekte Senkung der Renten.

Sehr kritisch sehe ich inzwischen insgesamt die Entscheidungsstrukturen in der SPD. Diese laufen von oben nach unten und nicht von unten nach oben, wie es in einer Volkspartei sein sollte. Über Neuwahl, Wahlmanifest und Koalitionsvertrag haben z.B. Einzelpersonen, Parteivorstand und kleine Parteitage entschieden. Die Basis ist dagegen kaum zu Wort gekommen.

Ich engagiere mich mittlerweile seit gut 20 Jahren kommunalpolitisch. Zunächst in der Interessengemeinschaft Wettbergen-West, dann in der Kita-Stadtelternvertretung und im Jugendhilfeausschuss und seit gut 8 Jahren im Rat bzw. 4 Jahren in der Region. Bei den letz-ten Kommunalwahlen habe ich für meine politische Linie eine hohe persönliche Zustimmung erfahren und ich erfahre auch jetzt sehr viel Zuspruch. Ich habe mich deshalb entschieden, meine Mandate zu behalten, der Rats- und der Regionsversammlung fraktions- und parteilos anzugehören und mich auch weiterhin mit Vehemenz für Familien, Kinder und Jugendliche und eine gute Finanzpolitik einzusetzen. Ich hoffe damit in Ihrem Sinne zu handeln.

Der Entschluss die SPD zu verlassen, ist mir nach gut 15 Jahren engagierter Arbeit in der SPD sehr schwer gefallen. Ich kann aber keinen Weg weiter mitgehen, der meinen Überzeugungen so entgegensteht.

Ankündigen möchte ich bereits an dieser Stelle, dass ich zu den Kommunalwahlen im September 2006 beabsichtige, wieder anzutreten. So wie die Parteien können auch Sie, die Wählerinnen und Wähler, Kandidatinnen mit ihrer Unterschrift direkt aufstellen. Ich werde Sie um Ihre Unterstützung bitten.

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in das Neue Jahr und viel Glück und Gesundheit

Ihre
Marianne Schöberle